Montag, 13. März 2006

"Mache Dich auf, werde Licht!"


Es darf durchaus verwundern, dass ein Blog, der den Namen „Umkehr“ trägt, gerade in der Zeit, in welcher er vor Einträgen sprühen müsste, nämlich in der heurigen Buß- und Fastenzeit, schweigt. Ganz offensichtlich ist es doch, dass er gerade jetzt zur Buße und zur Umkehr aufrufen müsste, wenn dies doch sein Anliegen ist. Und ganz Recht, hiermit will ich es einmal innerhalb dieser Zeit tun, sonst aber nicht weiter auffallend, da dieser Blog keine Predigten halten will. Dies steht ihm nämlich zum einem gar nicht zu und zum anderen, weil der Gläubige (und Ungläubige) in dieser Fastenzeit jeden Tag eine solche Predigt in den Kirchen vernehmen kann, denn jeden Tag ruft uns der Herr in dieser Zeit in seinem Evangelium zu „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,15), wie wir es wörtlich am Aschermittwoch, am Beginn dieser Fastenzeit hören durften. Und was kann ich mehr tun, als mich nur demütig hinter unserm Herrn einzureihen und ihm zu folgen, anstatt mich lauthals voranzustellen und großmütig zur Umkehr aufzurufen, wo ER es doch schon selbst tut. Man legte uns am Aschermittwoch mit diesen Worten (ebd.) das Aschekreuz auf und wir bedachten, das wir alle nur Sünder sind, die Buße tun wollen. Das ist es was wir tun, in diesen 40 Tagen, wir besinnen uns unserer Sündhaftigkeit, unserer Nichtigkeit und bekennen, das wir und von dieser abwenden wollen, wir wollen uns umkehren, in freudiger Vorausschau auf das Ostergeschehen, zum dem, der ohne Sünde ist, der all unsere Sünden auf sich nahm, zu Jesus Christus, unserem Herrn und Gott. Das Erkennen, das wir nur Staub sind und wieder zum Staub zurückkehren (vgl. Gen 3,19), geht einher mit dem erkennen der Größe und Herrlichkeit Gottes, denn wer sich selbst erniedrigt, seinen Blick nicht mehr auf sich richtet, sich nicht mehr selbst erhöht, sondern umkehrt und nur noch auf Christus schaut, erhöht damit Christus, und wird aber mit ihm erhöht (Mt 23,12).

Diese Niedrigkeit, die eine Umkehr zu Christus erfordert, soll dem Christen besonders in der Zeit hin zu Ostern bewusst werden, damit ihm ganz klar aufgehen kann, welche unfassbaren Ereignisse in der Kar- und Osterzeit selbst vor sich gingen, als Gott (!) sich unter uns Menschen erniedrigte und dadurch die Welt erlöst hat. Deshalb wird auch in der Fastenzeit besonders das bittere Leiden und Streben unseres Herrn betrachtet. Wir lernen dadurch auch unseren eigenen Lebensweg verstehen als ein gemeinsames Schicksal mit dem Herrn, der sein Kreuz getragen hat.

„Auf ihn sollt ihr hören!“ (Mk 9,7), heißt es im heutigen Evangelium. Nicht nur jetzt, in der Fastenzeit sollen wir auf ihn hören, sondern immer, Christus soll unsere Richtschnur sein. Dies ist nicht einfach, denn das, was Christus sagt fordert ein aktives Christenleben. Wir sollten keine Geschenke erwarten, sondern vielmehr beschenken, nichts für unseren Glauben empfangen wollen, sondern gerade wegen unseres Glaubens geben wollen. Wir sollten es stets wissen und dies sei auch jedem Interessierten von vornherein gesagt: Diese Religion ist keine bzw. nicht nur eine "Wohlfühlreligion", sondern eine die den ganzen Menschen fordert. Das der Glaube sehr wohl auch ein Wagnis ist bzw. sein muss, muss begriffen werden (vgl. J.H. Newman, „Die Wagnisse des Glaubens“). Wir müssen diese Welt für die nächste wagen. Wir müssen uns fragen, besonders als getaufte Christen, denn die Taufe ist auch als endgültiger Auftrag zu einem christusgerechten Leben zu verstehen ist, was setzte ich auf die Verheißung Christi hin ein, was habe ich gegeben, am Ende? Der Apostel sagt, wenn es die Auferstehung nicht gibt, wenn alles nur ein Hirngespinst wäre, dann „sind sie die elendesten unter allen Menschen!“ (1Kor 15, 19). Kann ich das von mir auch sagen? Was wage ich?

Christ-Sein ist anspruchsvoll und man wird stets versucht vom Glauben abzufallen und in diesem Bewusstsein ist sehr beachtlich und ungemein erfreulich, dass am 2. März im Wiener Stephansdom 16 junge Menschen auf die Frage von SE Christoph Kardinal Schönborn, ob sie bereit sind „die Sakramente unseres Herrn Jesus Christus, die Taufe, die Firmung und die Eucharistie zu empfangen und als Glieder der Kirche aus dem christlichen Glauben zu leben?“ mit einem klaren „Ich bin bereit!“ antworten konnten und somit ihren Wunsch nach der Taufe bekräftigten. Vor der ganzen Gemeinde bezeugten Pfarrer und Paten das die Kandidaten würdig sind in die Kirche eingegliedert zu werden. Fortan wollen diese Menschen nur noch auf Christus hören, sich ganz nach ihm richten und somit ganz dies Leben, worauf wir uns in diesen Tagen der Fastenzeit wieder zu besinnen versuchen. Jenen gläubigen Brüdern und Schwestern die schon als Kinder getauft wurden, müsste beim Anblick dieser Täuflinge unweigerlich die Frage aufgehen „Würde ich mich heute taufen lassen?“

Diese 16 wollen es und blicken dabei auf ganz unterschiedliche Lebensgeschichten und Motive zurück. Und wenn der ein oder die Andere aus scheinbar ganz eigenen Gründen diesen Wunsch zur Taufe in sich tragen, so haben ihre Katecheten und andere Verantwortliche ihre Aufrichtigkeit und Würdigkeit bezeugt. Diesen zum einen vertrauend und zum anderen wissend das der Glaube „so etwas wie ein Lernprozess [ist], der aus Verkündigung, überdachten Erfahrungen, Anregungen, aus der Mystagogie lebt“ (J.H. Emminghaus, „Die Messe“), der nicht einfach fertig da ist, so kann man sich getrost und glücklich über neue Brüder und Schwestern freuen. Und wenn man sich fragt, ob sie in ihren Herzen wirklich schon vollständig umgekehrt sind, so richte man seinen Blick auf sich und erkenne das die Umkehr ebenso ein langer Prozess ist, ja das wir gar immer wieder aufs neue umkehren müssen, denn „der Ruf Christi zur Umkehr ergeht auch weiterhin im Leben der Getauften. Diese zweite Umkehr ist eine fortwährende Aufgabe für die ganze Kirche, die heilig ist, aber in ihrem Schoß Sünder umfasst.“ (KKK-K 299.).

Die Gebrechlichkeit und Schwäche der menschlichen Natur [ist mit der Taufe] nicht behoben und auch nicht die Neigung zur Sünde“ (KKK 1426, weshalb wir auch das Sakrament der Buße, das auch Sakrament der Umkehr genannt wird, bedürfen, „denn es vollzieht sakramental die Umkehr, zu der Jesus aufruft, den Schritt der Rückkehr zum Vater, von dem man sich durch die Sünde entfernt hat.“ (KKK 1423). Doch um dieses Sakrament empfangen zu dürfen, um wahrhaft umkehren zu können, bedarf es die innere Umkehr, die innere Buße. Die Bekehrung des „zerknirschten Herzens“ (Ps 51,19)! Die Umkehr ist zunächst aber auch ein Gnadenwerk des barmherzigen Gottes, der uns immer wieder zu sich umkehren lässt, der sich uns zuwendet, wenn wir nur bitten: „Kehre uns, Herr, dir zu, dann können wir uns zu dir bekehren“ (Klgl 5,21).

Das erneute Abwenden von der Sünde ist also der Kern dieser Bußzeit. Das abwenden von der Sünde, die Selbstliebe ist, denn „die Sünde sagt [nur]: ‚Ich, ich, ich’ – nicht Du.“ (Christoph Schönborn), ist zugleich ein Abwenden von sich selbst, weg von jedem egozentrischen Denken. In der Bußzeit sollen wir uns wieder Christus zuwenden, der uns in den Ärmsten und Geringsten unter uns begegnet: „Was ihr für einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40), spricht der Herr. Aus diesem Grund spielt die „Caritas“ in dieser Zeit eine besondere Rolle. Die Caritas ist nämlich auch heute noch, als „praktizierte Nächstenliebe [...] ein entscheidendes Kennzeichen der christlichen Gemeinde“, der Liebesdienst gehört zum Wesen der Kirche und „ist unverzichtbare Wesensausdruck ihrer selbst.“ (Papst Benedikt XVI., „Deus Caritas est“). Aber nicht deshalb sollen wir den Dienst am Nächsten tun, sondern weil unser Innerstes, unser zu Christus umgewendetes Herz uns dazu drängt - ,,Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Sie ist es auch, welche die oben genannten 16 Menschen zur Taufe drängt und sie ist es, die uns zur Umkehr drängt, damit wir selbst Liebe werden können, mit Christus in unserem Herzen, der uns alle zur Heiligkeit berufen hat (1Thes 4,3)– nichts weniger als dies, kann, um Christi Willen, eines jeden Christen Ziel sein. Wenn wir in Christus bleiben und er in uns bleibt, sind wir das Licht das Welt (vgl. Mt 5, 14-16), das in der Finsternis leuchtet und Hoffnung bringt. „KEHRT UM, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15), seid Liebe, "Mache Dich auf, werde Licht!" (Jes 60, 1)!