Dienstag, 30. Mai 2006

"Man muss allzeit beten" - Teil II

Eine Meditation mit Bildern auf Pfingsten hin

Jesus Christus sagt: "das Reich Gottes ist in euch" (Lk 17,21). Nicht nur irgendwie, sondern zutiefst in unserem Wesen: "Wer Mich liebt wird Mein Wort halten, Mein Vater wird ihn lieben und Wir werde zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen" (Joh 14,23).

Leider dringen wir zu wenig in diese Wahrheit ein. Viele Seelen sind ehrlich bestrebt, ein immer makelloseres Leben zu führen. Aber nur wenige wählen den Glauben zu ihrem sichern Führer, schöpfen Kraft aus der Hoffnung, lassen sich von der Liebe ganz und gar durchglühen und haben so vollkommen teil an jenem Leben, das Jesus uns gebracht hat.

Wir leben eingehüllt in göttlich Liebesbeweise. Nicht Gott hindert uns, von heute an innigst vereint mit Ihm zu leben. Wir müssen nur mit ganzem Willen dieses übernatürliche Leben in Gott Leben wollen. Die Richtlinien kennen wir, der Weg liegt vor uns offen. An uns ist es, ihn zu beschreiten; tun wir es nicht, so ist es unsere Schuld.

Doch gestehen wir es ein, "die Kinder der Welt sind in ihren Angelegenheiten klüger als die Kinder des Lichtes" (Lk 16,8). Wir tragen in uns einen kostbaren Schatz von unendlichem Wert - die heiligmachende Gnade. Aber wir würdigen ihn nicht und machen ihn deswegen unfruchtbar. Ob unser Heiland nicht darauf hinweist, wenn Er im Gleichnis von dem Talent erzählt, das der ungetreue Knecht in die Erde vergrub und liegen ließ? (Mt 25,18).

Jesus aber begnügt sich nicht damit, uns diesen Reichtum innigster Liebesgemeinschaft mit Ihm bloß anzubieten. Er drängt uns mit Ungestüm, ja Er nötigt uns fast, ihn anzunehmen. Er verfährt mit uns fast ähnlich wie mit jenem Armen und Krüppeln im Evangelium, die der Herr zum göttlichen Festmahl rufen lässt, und sie haben nicht mehr die Freiheit, diese Einladung auszuschlagen: "Compelle intrare", - "nötige sie hereinzukommen" (Lk 14,23).

Kommen wir der Einladung Seiner Güte nach und beten wir von jetzt an mit der Kirche zu Gott: "Herr, verleihe uns Wachstum im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe!". Wir begnügen uns nicht mehr damit, unser Tagewerk mit ein paar Gebetlein zu beginnen und zu schließen. Solche vereinzelten Übungen machen kein Leben aus. Leben bedeutet: eine anhaltende, dauernde Tätigkeit. Jesus selbst will unser Leben sein. "Ich bin das Leben" (Joh 11,25).

Immer, ohne Unterlass sollen wir mit Gott vereint sein. Nicht um diesen oder jenen frommen Akt, oder um diese oder jene Andachtsübung oder Formel ist es Gott zu tun. Er will uns ganz. Er beansprucht alle unsere Zeit, alle unsere Kräfte, unsere ganze Seele. Dafür gibt Er uns die Möglichkeit, das ewige Leben schon hienieden zu beginnen. Folgen wie dem Aufruf unseres Meisters, um die wundersam reine, klare Luft ewiger Wahrheit und Liebe atmen zu können!

Montag, 29. Mai 2006

"Man muss allzeit beten" - Teil I

Eine Meditation mit Bildern auf Pfingsten hin

Indem wir während des Tages die wesentlichen Akte der Betrachtung möglichst oft wiederholen, wecken und entfalten wir in uns den Geist des Gebets. Das Wort des hl. Johannes wird zum strahlenden Stern und Leuchtfeuer in unserem Leben: "Gott ist die Liebe, wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm" (1 Joh 4,16). Als Folge davon erfahren und verwirklichen wir das andere Wort des gleichen Apostels: "Wer aus Gott geboren ist, sündigt nicht, weil Sein Lebenskeim in ihm lebendigt bleibt" (1 Joh 3,9).


Nichts ist leichter, als sich von Zeit zu Zeit - und wäre es auch nur für einige Sekunden - von den Beschäftigungen und Verrichtungen des täglichen Lebens loszumachen, um sich mit Gott zu vereinen. "Wie gut ist es für mich, Gott anzuhangen" (Ps 73). Jeden Augenblick kann ich mit Ihm reden, ja ich bedarf nicht einmal der Worte dazu. Ein kurzer Blick in mein Inneres, ein Gruß, ein Akt der Liebe, des Vertrauens, der Bitte um Licht und Kraft, je nach Umständen und Bedürfnis, genügt. "Ich erinnerte mich an Gott, und fröhlich ward mein Herz" (Ps 77). So schaffe ich mir allmählich eine innere Einsamkeit, in der ich beständig auf die Stimme meines Vielgeliebten hinhorche, der selbst mir diese traute Zwiesprache verheißt: "Ich werde ihn in die Einsamkeit führen und da zu seinem Herzen sprechen" (Hos 2,16).


Ich bemühe mich mit immer größerer Treue, dieser Stimme zu lauschen und alles freudvoll zu erfüllen, was er von mir will. "Ich lausche, was in mir der Herr spricht" (Ps 85,9). Wenn Schwierigkeiten sich mir entgegenstellen, nehme ich meine Zuflucht zu Ihm. In Ihm finde ich Licht und Kraft, mit Ihm teile ich meine Freude, mit einem Wort: Er nimmt den ersten Platz in meinem Denken und Handeln ein. Mein ganzes Leben, das bisher nur um mein eigens Ich kreiste, findet fortan seinen ganzen Sinn und Zweck einzig in Ihm.


All das tue ich ohne gewaltsame Anspannung des Geistes. Die häufige Wiederholung einzelner Tugendakte bewirkt die Ausbildung tugendhafter Gewohnheiten. Wenn ich also in die Atmosphäre des Lebens beständigen Glaubens, Vertrauens und Liebens gelangen will, muss ich nur solche Akte möglichst oft wiederholen. Ich bin dann sicher, dass Gott mich zu Seiner innigsten Lebensgemeinschaft ruft. "Meine Wonne ist es ja, bei den Menschenkindern zu sein" (Spr 8,31). Ich scheue weder Mühe noch Arbeit, um diese Lebens- und Liebesgemeinschaft so schnell wie nur möglich zu erwerben und dauernd darin zu verbleiben.