Sonntag, 1. Oktober 2006

Ein Bild (vom Bild) vom Papst

Kaum aus dem Urlaub zurück machte ich mich sogleich auf den Weg nach Regensburg, obwohl ich von meinem Urlaub zweifelsohne einen Zweit-Urlaub nötig gehabt hätte. Das mein Regensburgsaufenthalt während des Papstbesuches aber kein "Zuckerschlecken" werden würde war selbstverständlich. Abgesehen davon, dass Regensburg immer eine Reise wert ist, war natürlich auch die "Botschaft des Papstes in und an seiner Heimat" mein Hauptinteresse. Im nachhinein darf aber in Frage gestellt werden, ob dies wirklich das Hauptinteresse aller Anwesenden war, denn dieses schien eher darin zuliegen, ein Bild vom Papst zu bekommen. In dieser Situation, in der man vom größten Spektakel der deutschen Mediengeschichte umzingelt war, wurde mir bewusst, wie ausnehmend wichtig es ist, einem solches Ereignis in der richtigen geistigen Verfassung zu begegnen - nämlich im Gebet. Die Gefahr in einen "Starrummel" zu geraten schien mir groß. Wie ein Strudel zog der Papst Massen an, die ihm seine Handykameras und DigiCams entgegenstreckten. Blitzschnell verstrich der (h)eilige Augenblick und wieder sah man nur ein Bild vom Papst, weil man doch die ganze Zeit auf sein Display starren musste, um den Papst auch ja im Bild zu haben. Es scheint, als sei nur echt, was man als Bild festgehalten hat - nur das Bild der Realität ist die Realität. Wie das Bild aussieht und welche Wirkung es hat entscheidet derjenige, der das Bild macht (wie wir gerade nach "Regensburg" feststellen durften). Ich habe es schließlich als äußerst bereichend erlebt sich gerade dann zum Gebet vor dem Allerheiligsten zurückzuziehen, wenn der Papst doch in Griffweite vorbeifuhr. Abstand gewinnen, klaren Kopf behalten. Nicht um jeden Preis muss ich dem Papst die Hand schütteln, eine gesunde Distanz zu diesem Menschen und zur Euphorie um ihn, hätte sicher jedem besser getan, auch dem Heiligen Vater selbst. So aber wurde er auf Schritt und Tritt, ja belästigt muss man fast sagen und alles schien für das Fernsehen von sensationslüsternen Interesse zu sein. "Die Stunden der Besinnung sind auf dem Bildschirm rar. Stattdessen wird meist besinnungslos zerredet, was sich von selbst erklärt. 'Jetzt schüttelt der Papst Hände', meinte Peter Mezger im BR immer wieder sagen zu müssen.", berichtet die SZ treffend.

Diese war es im übrigen auch, die am Tag nach der, inzwischen berühmtgewordenen "Regensburger-Rede" den entsprechenden "Kaiser-Passus" nicht als besonders skandalträchtig erwähnenswert fand, sondern einen sehr viel intelligenteren Artikel veröffentlichte. Er stellt fest, dass das Gesagte "eine der besten und klarsten Zusammenfassungen dessen sein [dürfte], was der Gelehrte Joseph Ratzinger zum Verhältnis von Glaube und Vernunft gesagt hat - ein Thema, da ihn schon als Professor beschäftigte." Die zentrale Botschaft ist: "Gott ist Vernunft"! Und folglich geht es nicht ohne ihn, denn was setzten wir an den Anfang, "die schöpferische Vernunft oder das Unvernünftige, das vernunftlos sonderbarerweise einen geordneten Kosmos hervorbringt." Ähnliches konnte man von Joseph Ratzinger schon im Jahr 2000 hören, das er nun wiederholt und weiter ausgeführt hat, nämlich "dass die Welt in einem sehr komplizierten Evolutionsprozess entstanden ist, dass sie aber im tiefsten eben doch aus dem Logos entstanden ist. Sie trägt insofern Vernunft in sich." Dieser Logos ist, gemäß dem Beginn des Johannes-Evangeliums, Gott: "Am Anfang was das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort." Genau diese Essenz nahm Benedikt XVI. in seiner Regensburger Vorlesung auf und erläuterte bzw. konkretisierte sie, indem er betonte: "Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider.", eben weil Gott Vernunft ist. Folglich kann "der christliche Glaube erkannt werden, und die Erkenntnis wiederum hat eine Wurzel im Glauben." Daher seien Glaube und Vernunft niemals getrennt zu betrachten, eine Vernunft ohne Glauben wäre eine "Selbstbeschränkung der Vernunft". Wenn eine solche Selbstbeschränkung sich durchsetzte, wie es den Anschein hat, insbesondere auch in der Theologie, die sich zunehmend als reine Wissenschaft begreife, dann "bleibe vom Christentum nur ein armseliges Fragmentstück übrig [...] das die eigentlich menschlichen Fragen [...] ins Subjektive verlegt."

Hier greift der Papst das Motiv der "Diktatur des Relativismus" aus der Predigt vor seiner Wahl wieder auf. Wird die Religion ins Subjektive, ins beliebig kombinierbare abgeschoben untergräbt sie nicht nur das Gemeinwesen, sondern auch das eigentliche Sein. Eine solche "Selbstkritik der Vernunft" bedeute aber nicht, das man nun "hinter die Aufklärung zurückgehen" muss, "aber nur, wenn 'Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinander finden, können sich der Vernunft ihre ganze Weite wieder öffnen'. [...] Ein Text der tief in die Gedankenwelt Joseph Ratzingers hineinführt, einschließlich der Frage, die seine Thesen offen lassen: Welcher Art ist der Glaube, der aufs Neue mit der Vernunft zusammenleben soll - ein festgefügter oder einer, der Dialog - und Diskussionsprozesse kennt?" Ein Bild (vom Bild) vom Papst!