Sonntag, 4. Juni 2006

Hochfest zur Aussendung des heiligen Geistes - Pfingsten.

Abschluß der Reihe "Man muss allzeit beten".

"Es ist gut für euch, dass Ich hingehe" (Joh 16,7). Das waren Jesu Worte, ehe Er uns verließ. So hat Er selbst die letzte Weise Seiner Begegnungen mit uns gezeigt und verdeutlicht, Seine letzte Zusammenkunft, das immerwährende Zusammensein, das Er jedem von uns für die Ewigkeit der Ewigkeiten bereitet hat.

"Und siehe, Ich bin bei euch alle Tage..."
Glauben wir daran? Fühlen wir uns wirklich so "begünstigt"?

"Wenn Ich nicht hingehe, wird auch der Tröster nicht zu euch kommen. Wenn Ich aber hingehe...dann kommt Jener, der Geist der Wahrheit...Er wird euch in alle Wahrheit einführen" (Joh 16,7-13). Nehmen wir diese Worte als ein Versprechen? Oder nur als frommen Trost? Als schönes Märchen? Oder glauben wir, dass es wahr ist?

Qui diceris Paraclitus – Komm, Tröster, der die Herzen lenkt. Dieser Tröster, dieser Geist der Wahrheit, dieser Gefährte, den man uns ankündigt - sind wir uns jemals Seiner Gegenwart bewusst geworden?

"Er ist es, der uns rufen lässt: Abba, Vater!" (Röm 8,15). Aber wie oft sind wir wirklich davon überzeugt gewesen, dass wir einen Vater haben? Wie oft haben wir uns tatsächlich als Söhne gefühlt, als Söhne und Töchter Gottes? Ohne Ihn wäre die Religion nichts als ein Bündel von Pflichten ohne Möglichkeiten, ein hohles Gebet, wirkungslose Sakramente, eine langweilige Messe, gehalt- und sinnlos. Er ist es, der uns die Dinge Gottes kosten, den Geschmack an ihnen prüfen lässt. Aber finden wir Geschmack an ihnen?

"O Gott, der Du die Herzen der Gläubigen durch den Hauch des Heiligen Geistes erleuchtet hast, gib uns durch diesen selben Geist den dauernden Geschmack an den Dingen Gottes und die ständige Freude an der Gegenwart dieses Tröster-Geistes: durch Jesus Christus, unserm Herrn." (Gebet zum Heiligen Geist.)

Nur die Kinder des Hauses haben den Wunsch, alles zu wissen, was im Hause vorgeht. Die Fremden kümmern sich nicht drum. Aber die Söhne und Töchter interessieren sich für alles, was beim Vater geschieht. Wenn wir nicht den Geist (der Kindschaft) Gottes haben, dann sind die Dinge Gottes ohne Interesse für uns. Sie „sagen“ uns nichts mehr. Wie viele Christen müssen nicht, wie die Leute, die der heilige Paulus zu bekehren unternahm, gestehen: „Wir haben nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt!“ Sie haben Ihn beim Namen genannt, gewiss, hunderte Male, und haben das „Amen, „So sei es“, dahintergesetzt. Aber haben sie jemals bedacht, dass sie von dem Urquell ihres Lebens selbst gesprochen haben? Dass Der, den sie eben nannten, genau derselbe ist, der ihnen die Lippen erschlossen hatte, damit sie Ihn überhaupt nennen konnten? Haben diese erkalteten Menschen, die in ebenso kalten Predigten eingeladen werden, „ihre Ostern zu halten“, jemals gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt – einen Geist der Liebe, des Austausches, der Anteilnahme, der Freude, der brüderlichen Verbundenheit –, in den sie eingehen, mit dem sie sich verbinden sollen; der sie für immer mit den andern, in einem Leib, bewahren will? Dass dies eben die Kirche ist? Dass man eben diesen Geist finden muss, um wirklich „Ostern gehalten zu haben“? Wenn der heilige Paulus diesem „Leben des Geistes“ (Leben durch den Geist) das „Leben des Fleisches“ entgegensetzt (Röm 8,9-14), dann erklärt er damit, dass es unmöglich ist, Christus anzugehören, ohne unser gewohntes Leben zu ändern. „Wenn einer Christi Geist nicht hat, so gehört er nicht zu Ihm.“

Der Heilige Geist ist Ursprung und Urquell der Fleischwerdung Christi in jedem Christen, so wie Er Ursprung und Urquell der Fleischwerdung Christi im Leib der Jungfrau Maria gewesen ist. Dass der Heilige Geist in uns wohnt, ist ebenso wahr wie die Fleischwerdung Christi. Die geschichtliche Fleischwerdung Jesu setzt sich fort und vollendet sich in einer Geistwerdung der gesamten Menschheit.

Pfingsten hat geoffenbart, dass Gott nicht für dreiunddreißig Jahre, sondern für immer Fleisch geworden ist. Dass Er das, was Sein Leben ausmacht (das heißt, Seinen Geist der Liebe), für immer mit uns teilt. Pfingsten – das ist der Auftakt zur unwiderruflichen, immerwährenden Gegenwart Christi hier in der Welt. Und wo ist Er? Im Menschentum eines jeden von uns. Dort setzt Er nun Sein Werk fort – das Werk der Fleischwerdung, der Erlösung. Fleischwerdung Gottes, Erlösung der Welt. Dass der Geist Jesu in unseren Herzen wohnt, ist wohl bedeutungsvoller als die geschichtliche Fleischwerdung. Pfingsten scheint ein gewaltigeres Ereignis als Weihnachten. Denn in der Fleischwerdung – da wir Gott zum Menschen, Gott wird ein Mensch. Zu Pfingsten aber werden die Menschen aufgerufen, „Gott zu werden“. Gott hat sich nicht nur zu uns herabgeneigt, sondern Er will uns auch zu Sich emporheben. Die Offenbarung des Geistes ist viel großartiger, auffallender als die des Sohnes. Die Fleischwerdung des Sohnes geschah im Dunkeln, in der Nacht, in einem Stalle.

Pfingsten aber platze wie eine Bombe in den helllichten Tag hinein, und Hunderte Menschen waren Zeugen dieser Verwandlung. Hier war nicht mehr Gott, der in Not und Leid zum Menschen wurde, sondern eine ganze Schar Männer, die im gleißenden Licht und voll Entzücken „Gott“ wurden. „Ihr werdet größere Dinge tun als Ich“: Jesus denkt an die Kirche, wenn Er dies weissagt. Das ureigenste Werk des Geistes ist die Kirche. „Wenn du die Gabe Gottes kenntest!“ Diese Gabe ist die Kirche. Altissimi donum Dei – Beistand, den der Vater schenkt. Gott für den Menschen im Menschen. Mit dem Menschen verbunden. Was ist das Beste, das Gott besitzt? Sein Geist (der Liebe). Er gesellt Ihn uns bei. Er lässt uns an Ihm teilhaben. Und durch den Zusammenschluss jener, die Ihn empfangen haben, entsteht und wächst die Kirche. Wenn Jesus uns sagt, dass Er uns Seinen Geist der Liebe senden wird, dann zieht Er sich nicht zurück, sondern verspricht uns den, der uns am engsten mit Ihm verbindet.

Wo werden wir Ihn finden? Wo müssen wir Ihn finden? Der Vater hatte sich im Alten Testament geoffenbart. Er wurde verraten, missverstanden. „Nachdem Er verschiedene Male zu unsern Vätern durch die Propheten gesprochen hatte“ Aber Jerusalem hat die Propheten getötet: „Sie prügelten den einen, den andern töteten und den dritten steinigten sie. Zuletzt sandte Er Seinen Sohn zu ihnen“ (Mt 21,35-37). Der Sohn hat sich im Neuen Testament geoffenbart, und indem Er sich offenbarte, offenbarte Er den Vater („Wer Mich sieht, sieht auch den Vater“). Dann endlich wurde uns der Heilige Geist – in der Kirche – gesandt. Er offenbart uns den Vater und den Sohn und Seine eigene Macht der Liebe – den Geist der Kindschaft (Röm 8,15) – ,die uns diese Dreieinigkeit nicht nur enthüllt, sondern uns in sie hineinführt. „Vater, Du in Mir und Ich in ihnen“ sagte Jesus, nachdem Er den Heiligen Geist angekündigt hatte. Und tatsächlich, das ist das Werk des Heiligen Geistes: „dass sie eins seien, wie Du und Ich, Vater, eins sind“ (Joh 17,11).

Und das ist nun die Aufgabe der Kirche, aller derjenigen, die wie Maria ihr „Fiat“ sprechen, dass das Wort in ihnen Fleisch werde. Aller derjenigen, in denen ein „neuer Mensch“ durch den Heiligen Geist empfangen wurde. Weil sie dazu bereit sind. Weil sie sich von diesem Geist des Mitteilens und der Liebe packen lassen. Dem Geist der Kommunion.

Der Heilige Geist ist der Lebensspender der Kirche, ihr Spiritus rector. Er ist es, der sie unablässig neu schafft, sie „von allen vier Winden“ her unermüdlich sammelt. Er ist es, der allen Hindernissen zum Trotz bewirkt, dass es Menschen gibt, die einander lieben: „Betrübet den Heiligen Geist nicht, in dem ihr auf den Tag der Erlösung besiegelt seid...Seid vielmehr miteinander gütig und barmherzig und vergebt einander“ (Eph 4,30.32). „Alle, die vom Geiste Gottes getrieben werden, sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14). Wer sich von der Gemeinschaft der Brüder – von dem Geist der Gemeinschaft – fernhält, ist nicht mehr Sohn. Wo immer zwei oder drei in Seinem Namen beisammen sind, ist Er mitten unter ihnen. In Seinem Namen – das will sagen: in Seinem Geist. Es ist immer der gleiche Grundton: „Vater, dass sie eins seien, wie Wir eins sind – eins in Uns.“ Es gibt keine gültige Gemeinschaft als mit Ihnen. Und es gibt keine gültige Einigung mit Ihnen als in Mit-Gemeinschaft. Mit mehreren. Eng verbunden.

„Und ihr sollt erkennen, dass Ich der Herr bin...wenn Ich euch Meinen Geist gebe, dass ihr lebt, und euch Ruhe gewähre in eurem Lande.“ (Liturgie vom Karsamstag) Diese Ruhe, das ist die Freude des Pfingstfestes – im Gegensatz zu der Verwirrung beim Turm von Babel –, die Freude aller Pfingsten, an denen Menschen mit einem Schlag zur wahrhaften Liebe, zum wahrhaften gegenseitigen Verstehen erwachen. Und welches Mittel verhilft uns dazu, den Nächsten zu verstehen? Die Liebe. „Jeder einzelne hörte sie in seiner Muttersprache reden.“ Es handelt sich da nicht um einen sprachwissenschaftlichen Kraftakt, sondern die Nächstenliebe ist es, die uns so wandelt, dass jeder sich verstanden, geliebt, glücklich, nahe bei uns fühlt. „Ihr wisst, welch Geistes ihr seid!“

Man muss darauf achten, dass man den Beinamen „Tröster“, den man dem heiligen Geist gibt, nicht zugunsten unseres Individualismus (d.h. unserer Sünde) verfälscht. Als Christus noch mit seinen Aposteln zusammen war, wurden die Apostel viel öfter durchgerüttelt als „getröstet“. Der Trost besteht in der gegenseitigen Liebe. Es handelt sich nicht darum, jedes mal, wenn wir „gekränkt“ über die „Undankbarkeit“ unserer Brüder sind, still in eine kleine, verschwiegene Kapelle zu flüchten und dort zum Herrn zu jammern, damit der Heilige Geist uns über unseren Mangel an Liebe tröstet. Wir gelangen zum Heiligen Geist (der Liebe) nur durch die Liebe. Der Trost des heiligen Geistes besteht darin, dass Er uns unablässig und immer von neuem die Kraft verleiht zu lieben. Sein Werk besteht nicht darin, diesen oder jenen zu erleuchten, sondern darin, den Leib Christi zu beleben und aufzubauen. Daher sind die Bedingungen für die Gabe und das Wirken des Heiligen Geistes wesentlich gemeinschaftsbestimmt. Er wirkt in der gegenseitigen Liebe der Gläubigen als Geist der Liebe und der brüderlichen Eintracht. Der Heilige Geist, der den Vater dem Sohn und den Sohn dem Vater zuwendet, muss auch uns einander zuwenden. Wie schwer fällt es uns, uns zur Anbetung eines fleischgewordenen Gottes bereit zu finden! Wenn man das Credo singt, beugt man sich bei den Worten „und ist Mensch geworden“. „Homo factus est“ – „Gott ist Mensch geworden.“ Er ist... dieser Nachbar geworden, der zu nah ist, als dass wir gut beten könnten. Aber was für einen Wert hat unser Gebet, wenn wir uns von Ihm abkehren, um Ihn dort zu suchen, wo Er nicht ist: in unserer einsamen Abgeschlossenheit, in unserer geistigen Innerlichkeit: „Jesus und ich in einer Flasche.“ Gut verkorkt! Man vergräbt das Gesicht in die Hände, um behaglich seinen persönlichen kleinen heiligen Geist zu genießen. Glücklich diese taubstummen Blinden! Sie vernehmen nicht die unangenehmen Rufe dieses Fleisches, bei dem es doch nicht ganz sicher sein mag, dass das Wort darin gefesselt wurde. Trotzdem kniet man nieder, wenn man bei der Pfingstmesse sagt: „Veni Sancte Spiritus...est tui amoris in eis ignem accende.“ - Komm, Heilige Geist...und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe.

Auch hier ist Fleischwerdung. Er hat sich in diesen Menschenteig eingesenkt, und so beglückt müssen wir darüber sein, dass wir unsere Freude nur auf den Knien liegend ausdrücken können. Wenn wir Gott im Menschen nicht anerkennen, dann ist mit uns nichts anzufangen. Wir sündigen durch diese Pseudo-Geistigkeit im präzisen Sinne des Wortes „wider den Geist“, der uns alle diese „Dinge“ lehren muss, deren beginn die Fleischwerdung ist. Nur wenn man den andern angehört, gehört man Christus an.

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