Mittwoch, 19. April 2006

"Tu mir dies nicht an!" - Papst Benedikt 1 Jahr im Petrusamt

"Als langsam der Gang der Abstimmungen mich erkennen ließ, dass sozusagen das Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindelig zumute. Ich hatte geglaubt, mein Lebenswerk getan zu haben und nun auf einen ruhigen Ausklang meiner Tage hoffen zu dürfen. Ich habe mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt: Tu mir dies nicht an!", erklärte Papst Benedikt XVI. wenige Tage nach seiner Wahl am 25. April 2005 gegenüber deutschen Pilgern. Wahrlich, dieser ältere Herr, der bekanntlich als Präfekt der Glaubenskongregation schon mehrmals seinen Rücktritt eingereicht hatte, sollte nun diese schwere Last noch tragen müssen? Wollte er sich nicht viel lieber endlich zurückziehen können und Bücher schreiben? Aber "es war vermutlich nicht das erste Mal, dass der Herr Ratzinger nicht gehorchte.", stellt Peter Seewald in einem Interview fest. Heute kann man es sich kaum noch vorstellen, das dieser Mann je etwas anderes getan hätte, so unglaublich gelöst und herzlich begegnet er den Menschenmassen, die ihm ohne Zweifel anfangs nicht geheuer waren. Seine demütige Zurückhaltung und scheinbar programmatische Liebe überzeugt auch die schärfsten Kritiker, die "durchaus positive Aspekte" einräumen müssen. Aber ich will keine positiv-negativ-Jahresbillanz ziehen, wie es so viele jetzt tun, denn ich habe auch niemals daran gezweifelt, das dieser der richtige Papst zur richtigen Zeit ist.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich vor einem Jahr am Abend durch das Haus lief und schrie: "Weißer Rauch! Weißer Rauch!". Quällend lange Minuten ließen uns warten und ich hatte so sehr gehofft das es Kardinal Ratzinger sein würde. Und als es dann tatsächlich jener war... wie unberschreiblich ist dieser Moment, ich hatte es nicht wirklich zu glauben gewagt und glaubte es noch nicht: "Das kann nicht sein! Unglaublich!" waren meine ersten Worte. Unfassbare Freude durchstömte mich, wie ich sie noch nie vorher verspührte und machte mich sprachlos. Wie konnte diese Wahl wirklich möglich sein - ein deutscher Papst? Sofort liefen einige zu einem Mitbruder um ihn wie eine Reliquie zu berühren und ihm zu gratulieren, da er den Kardinal persönlich kannte. Noch heute erscheint es mir immer wieder als unglaublich, und wird es wohl auch noch weiterhin, bis ich ihn einmal mit meinen eignen Augen gesehen habe. In diesem Jahr ist meine Liebe zu unserem Papst Benedikt stättig gewachsen und es gibt kein Worte von ihm, die ich nicht verschlinge. So kraftvoll, klar, fast poetisch erscheinen sie immer wieder und sind von solch klarer Brillianz, das selbst Evangelikale Splittergruppen den Genius dieses Papstes anerkennen müssen und wie viele haben nicht schon ihr Bild gegenüber der katholischen Kirche zum Positiven hin gewandelt, aufgrund allein der Sprache unseres geliebten Papstes, wie ich erfahren durfte.

Und doch hat er es schwer. Erst am vergangen Ostersonntag feierte Benedikt XVI. seinen 79. Geburtstag. Und mehr als zuvor ist er nun ein Packesel Gottes geworden, wie es der Korbiniansbär in seinem Wappen jeher symbolisiert. Die Geschichte vom Bären, den der heilige Korbinian zu seinem Lastträger machte erinnerte Joseph Kardinal Ratzinger in seinen Erinnerungen „Aus meinem Leben" an eine Meditation des Heiligen Augustinus über die Verse 22 und 23 des Psalms 73: "Ich war töricht und verstand nichts, war wie ein Stück Vieh vor Dir. Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.", heißt es darin. Augustinus schrieb über das Vieh der Bauern, vor allem die Zug- und Lasttiere, die diesen auch zur Verrichtung der Arbeit dienten. Als ein solches Zugtier empfand sich der Heilige. "Ja freilich, ein Zugtier bin ich geworden, ein Packesel, aber gerade so bin ich bei dir, Herr; gerade so diene ich dir, gerade so hast du mich in der Hand!" Das Leben eines Gelehrten wollte er ursprünglich führen und sah sich nun plötzlich vor einen Karren gespannt, um Gottes Werk durch jene Zeit zu ziehen, seine Last durch diese Welt zu tragen. Dies erschein ihm recht hart und ein bitteres Los zu sein, in seiner Meditation aber findet der Heilige Trost in dem Gedanken, dass das Zugtier dem Bauern besonders nahe ist, dass ihm dieses Stück Vieh besonders lieb und wert ist, welches ihm zur Arbeit dient. Und so ist dem Herren der Welt ein Augustinus, der sich vor dem Karren müht, lieber als jener, der ruhig und sauber in seiner Gelehrtenkammer verharrt. "Der bepackte Bär, der dem heiligen Korbinian das Pferd oder wohl eher den Maulesel ersetzte, sein Maulesel wurde – gegen seinen Willen, war er so und ist er nicht ein Bild dessen, was ich soll und was ich bin? 'Ein Packesel bin ich für Dich geworden, und gerade so bin ich ganz und immer bei Dir.' [...] Von Korbinian wird erzählt, dass er den Bären in Rom wieder in Freiheit entließ. [...] Inzwischen habe ich mein Gepäck nach Rom getragen und wandere seit langem damit in den Straßen der Ewigen Stadt. Wann ich entlassen werde, weiss ich nicht.", sagt der heutige Papst Benedikt XVI. damals in seinen "Erinnerungen" weiter und lesen wir heute wissend, das er wohl niemals mehr aus Rom zurückkehren wird.

Auch als Papst Benedikt XVI. sieht sich Joseph Ratzinger als Werkzeug Gottes, als sein Packesel, der seinen weiteren Weg im Vertrauen auf den Herrn geht. "Ich bin nicht allein. Ich brauche nicht allein zu tragen, was ich wahrhaftig allein nicht tragen könnte. Die Schar der Heiligen Gottes schützt und stützt und trägt mich." Doch Papst Benedikt XVI. nimmt diese Last auf sich und nimmt damit den Willen Gottes an. Neben den Korbiniansbär auf dem Papstwappen ist auch das Pallium, das ihm zur Amteinführung um die Schultern gelegt wurde ein Bild "[...] für das Joch Christi, das der Bischof dieser Stadt [Rom], der Knecht der Knechte Gottes auf seine Schultern nimmt. Das Joch Gottes – das ist der Wille Gottes, den wir annehmen. Und dieser Wille ist für uns nicht eine fremde Last, die uns drückt und die uns unfrei macht. Zu wissen, was Gott will, zu wissen, was der Weg des Lebens ist – das war die Freude Israels, die es als eine große Auszeichnung erkannte. Das ist auch unsere Freude: Der Wille Gottes entfremdet uns nicht, er reinigt uns – und das kann weh tun – , aber so bringt er uns zu uns selber, und so dienen wir nicht nur ihm, sondern dem Heil der ganzen Welt, der ganzen Geschichte." Aber zugleich ist das Pallium auch ein Zeichen für das verlorene Schaf, dem der Herr in die Wüste nachgeht. "Er steht selber auf, verlässt des Himmels Herrlichkeit, um das Schaf zu finden und geht ihm nach bis zum Kreuz. Er lädt es auf die Schulter, er trägt unser Menschsein, er trägt uns – er ist der wahre Hirt, der für das Schaf sein eigenes Leben gibt. Das Pallium sagt uns zuallererst, dass wir alle von Christus getragen werden. Aber er fordert uns zugleich auf, einander zu tragen.“ (Predigt zur Heilige Messe zur Amtseinführung von Papst Benedikt XVI., Predigt des Heiligen Vaters Benedikt XVI., Petersplatz, Sonntag, 24. April 2005)

Am 29. Juni 1951 wurde er zum Priester geweiht. "Man soll nicht abergläubisch sein. Aber als in dem Augenblick, in dem der greise Erzbischof mir die Hände auflegte, ein Vöglein - vielleicht eine Lerche - vom Hochaltar in den Dom aufstieg und ein kleines Jubellied trällerte, war es mir doch wie ein Zuspruch von oben: Es ist gut so, du bist auf dem rechten Weg. [...] Dein Packesel bin ich geworden", schreibt Ratzinger am Ende seiner Lebenserinnerungen an Gott gewendet. "Und so, gerade so, bin ich bei Dir."

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